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Wettbewerbsrechtliche Unterlassungserklärung: Anfechtung der Erklärung

LG Ulm 1. Kammer für Handelssachen, Az.: 10 O 70/14 KfH

Urteil vom 15.10.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 25.166,60 EUR

Tatbestand

Wettbewerbsrechtliche Unterlassungserklärung: Anfechtung der Erklärung
foto: Bastetamon/bigstock

Die Klägerin, die mit dem Beklagten am 29.08.2013/02.09.2013 einen Unterlassungsvertrag abgeschlossen hat (vgl. Anlagen K 4 und K 5, Bl. 29-30 d.A.), nimmt den Beklagten auf Zustimmung zur Aufhebung des Unterlassungsvertrages, hilfsweise auf Feststellung der Unwirksamkeit des Unterlassungsvertrages, in Anspruch.

Die Klägerin ist Inhaberin der H.-Apotheke in G. mit der Erlaubnis zum Versand von Arzneimitteln. Sie betreibt neben ihrer stationären Apotheke fünf Online-Shops, die unter den Internet-Domains „a(…).com“, „a(…).de“, „a(…).com“, „a(…).de“ und „i(…).eu“ erreichbar sind. Mit ihren fünf Online-Shops ist die Klägerin bei dem Vergleichsportal „m(…).de“ gelistet. Die Klägerin hat die Preise von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an das Internetportal „m(…).de“ übermittelt. Teilweise bestanden dabei Preisunterschiede für dieselben Medikamente bei den verschiedenen Internetshops der Klägerin, da diese nach der Behauptung der Klägerin unabhängig voneinander agieren.

Bei „m(…).de“ werden die Suchergebnisse anhand der Einzel- oder Gesamtpreise einschließlich Versandkosten aufsteigend sortiert. Neben den günstigsten Preisen für das gesuchte Produkt werden Bewertungen anderer Kunden für die gelisteten Versandapotheken aufgeführt. Führen zwei Apotheken ein Produkt zum selben Preis, wird der Anbieter mit der besseren Kundenbewertung in der Ergebnisliste an vorderer Position geführt.

Der Beklagte mahnte die Klägerin mit Schreiben vom 22.08.2013 ab (vgl. Anlage K 3, Bl. 25-28 d.A.). In der Abmahnung führte der Beklagte u.a. aus:

„Sie werben im Internet auf dem Preisvergleichsportal „www.m(…).de“ für Ihr Apothekensortiment in der Weise, dass Sie dort unter verschiedenen Bezeichnungen und Domains sowie mit verschiedenen Preisangaben für ein und dasselbe Präparat auftreten.

So haben Sie beispielsweise am 08. August 2013 für das Mittel „Gingium extra 240 mg Filmtabletten 80 Stück“ Preise von 52,76 EUR (a….com), 52,77 EUR (a….de) sowie dreimal 52,97 EUR (a….com, a….de und i….eu) angegeben. Im Ergebnis erscheint Ihre Apotheke dann auf dem Preisvergleichsportal unter den ersten 8 gelisteten Apotheken fünf Mal. Ein solches Geschäftsgebaren ist unlauter im Sinne von § 3 UWG, denn es verstößt gegen § 4 Nr. 10 UWG. Dadurch dass Sie mit den verschiedenen Shopseiten, die Sie führen, die Spitzenplätze der Rangliste besetzen, behindern Sie gezielt Ihre Mitbewerber. …“

Die Klägerin gab unter dem 29.08.2013 eine modifizierte Unterlassungserklärung ab (vgl. Bl. 28, vorbereitete Unterlassungserklärung des Beklagten und Anlage K 4, Bl. 29 d.A., Unterlassungserklärung der Klägerin vom 29.08.2013). Die ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage unter dem auflösenden Vorbehalt einer Änderung der Rechtslage oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgegebene Unterlassungserklärung nahm die Beklagte mit Schreiben vom 22.08.2013 (Anlage K 5, Bl. 30 d.A.) an.

Die vom Beklagten geforderten Abmahnkosten in Höhe von 166,60 EUR bezahlte die Klägerin am 02.09.2013.

Mit Anwaltsschreiben vom 08.08.2014 erklärte die Klägerin die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Zugleich kündigte sie den Unterlassungsvertrag aus wichtigem Grund. Zudem forderte sie gemäß §§ 331 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB die Rückgängigmachung des Vertrages (vgl. Anlage K 6, Bl. 32-33 d.A.). Der Beklagte reagierte hierauf nicht.

Die Klägerin trägt vor:

Der zwischen ihr und dem Beklagten zustande gekommene Unterlassungsvertrag sei unwirksam bzw. aufzuheben.

1. Der Beklagte habe sie arglistig über die Rechtslage getäuscht. Der Beklagte habe in der Abmahnung – bewusst – den Eindruck erweckt, an der Rechtswidrigkeit des beanstandeten Verhaltens bestünden keinerlei Zweifel.

Tatsächlich stelle das in der Abmahnung beanstandete Verhalten keine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG dar. Das beanstandete Verhalten der Beklagten sei vielmehr wettbewerbskonform. Durch die bewusste Irreführung habe der Beklagte sie dazu bewegt, die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben.

Die Anfechtung habe sie rechtzeitig und ausdrücklich mit Schreiben vom 08.08.2014 erklärt.

2. Der Beklagte habe in der Abmahnung vom 22.08.2013 den Eindruck erweckt, die rechtliche Beurteilung des abgemahnten Verhaltens sei eindeutig. An dieser Eindeutigkeit fehle es jedoch unzweifelhaft, da jedenfalls keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage vorliege. Dennoch habe der Beklagte – bewusst – ohne jede Einschränkung formuliert und das beanstandete Verhalten als eindeutig rechtswidrig dargestellt. Hätte der Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet, hätte er feststellen müssen, dass die in der Abmahnung vom 22.08.2013 einschränkungslos geäußerte rechtliche Beurteilung unzutreffend sei. Schon ein Blick auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung oder in die gängige Kommentarliteratur hätte dem Beklagten gezeigt, dass äußerst strenge Anforderungen an das Vorliegen einer gezielten Behinderung im Sinne des § 4 Ziff. 10 UWG gestellt werden und diese im konkreten Fall keinesfalls erfüllt seien.

Bei näherer Prüfung hätte auch der Beklagte daher feststellen müssen, dass tatsächlich keine gezielte Behinderung von Wettbewerbern vorliege. Jedenfalls hätte der Beklagte jedoch zu dem Schluss kommen müssen, dass die von ihm einschränkungslos geäußerte rechtliche Beurteilung keinesfalls unzweifelhaft sei. Eine solche unabhängige, sorgfältige Prüfung der Rechtslage sei gerade von einem Verband, der nach der eigenen Satzung lauterkeitsrechtliche Allgemeininteressen wahrnehme, zwingend zu erwarten. Die sich aufdrängenden Zweifel an der geäußerten Auffassung hätte der Beklagte jedenfalls in Form einer Einschränkung in das Abmahnschreiben vom 22.08.2013 aufnehmen müssen.

Ihr stehe daher ein Anspruch auf Rückgängigmachung des Vertrages wegen eines Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen gemäß §§ 311 Abs. 1, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB zu.

3. Hilfsweise macht die Klägerin geltend, dass der Unterlassungsvertrag aufgrund ihrer mit Schreiben vom 08.08.2014 ausgesprochenen Kündigung aus wichtigem Grund beendet sei. Ein wichtiger Grund zur Kündigung liege auf ihrer Seite vor, weil es ihr nicht mehr zumutbar sei, am Unterlassungsvertrag festgehalten zu werden. Ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch habe bei Abgabe der Unterlassungserklärung nicht bestanden, da das abgemahnte Verhalten keine gezielte Behinderung darstelle. Dennoch sei sie durch Täuschung zum Abschluss des Unterlassungsvertrages bewegt worden. An diesem Vertrag trotz der Zulässigkeit des untersagten Verhaltens festgehalten zu werden, sei ihr unzumutbar. Sie erleide unverhältnismäßige Nachteile gegenüber ihren Wettbewerber, die sich – zu Recht unbeanstandet – ebenso wie sie früher verhielten.

Zugleich habe der Beklagte kein schützenswertes Interesse an einer Aufrechterhaltung des Unterlassungsvertrages.

4. Da die Abmahnung des Beklagten vom 22.08.2013 unberechtigt gewesen sei – ein Wettbewerbsverstoß habe nicht vorgelegen – sei sie nicht verpflichtet gewesen, die Abmahnkosten zu bezahlen. Aufgrund des Wegfalls des Rechtsgrundes für die Zahlung an den Beklagten vom 02.09.2013 seien ihr die Kosten in Höhe von 166,60 EUR vom Beklagten zu erstatten.

5. Dem Beklagten fehle überdies für die in der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche die Aktivlegitimation. Es sei nicht erkennbar, dass dem Beklagten Wettbewerber, insbesondere aus dem Apothekensektor, angehörten.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, der rückwirkenden Auflösung des am 29.08.2013/02.09.2013 zwischen den Parteien geschlossenen Unterlassungsvertrages zuzustimmen; hilfsweise festzustellen, dass die Erklärung der Klägerin vom 29.08.2013 (Anlage K 4) durch Anfechtung vom 08.08.2014 erloschen ist;

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 166,60 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er trägt vor:

Der Unterlassungsvertrag sei nach wie vor wirksam. Ein Anspruch auf Zustimmung zur Aufhebung des Unterlassungsvertrag stehe der Klägerin nicht zu.

1. Er habe die Klägerin nicht arglistig getäuscht. Die schlichte Beschreibung des beanstandeten Verhaltens in der Abmahnung und die Folgerung, dass der Abgemahnte damit gegen § 4 Nr. 10 UWG verstoßen habe, stelle ersichtlich für den Empfänger eine Bewertung des Geschäftsgebarens durch den Abmahner dar. Daran gebe es nichts auszusetzen.

Das beanstandete Verhalten sei auch wettbewerbswidrig. Es verstoße gegen § 4 Nr. 10 UWG und auch gegen § 5 UWG.

2. Eine fahrlässige Täuschung gebe es nicht. Er habe nichts falsch dargestellt. Er habe die Rechtslage richtig gewürdigt und damit Zustimmung bei der Klägerin gefunden. Ein Anspruch auf Aufhebung des Unterlassungsvertrages stehe der Klägerin daher nicht zu.

3. Die Kündigung des Unterlassungsvertrages mit Schreiben vom 08.08.2014 werde ausdrücklich zurückgewiesen. Es fehle am Kündigungsgrund. Es habe sich nachträglich weder die Gesetzeslage noch sonst etwas geändert. Die Klägerin habe die Unterlassungserklärung auch keinesfalls unüberlegt abgegeben. Das Einlenken der Klägerin sei wohl erwogen erfolgt, denn sie habe die von ihm vorbereitete Unterlassungserklärung abgeändert.

4. Ein Anspruch auf Rückzahlung der Abmahnkostenpauschale stehe der Klägerin nicht zu. Diese habe die Abmahnkostenpauschale vorbehaltlos an ihn bezahlt.

5. Ihm gehörten eine erhebliche Anzahl von Gewerbetreibenden an, die Mitbewerber der Klägerin seien, so z.B. der Hamburger Apothekerverein e.V., 8 Apotheken, der Bundesverband deutscher Versandapotheken usw..

Wegen des weiten Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf dem Sitzungsprotokoll vom 29.09.2014 (Bl. 86-88 d.A.) verwiesen.

Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden gemäß § 349 Abs. 3 ZPO einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet, da die von der Klägerin am 29.08.2013 abgegebene Unterlassungserklärung, die vom Beklagten am 02.09.2013 angenommen worden ist, weiterhin wirksam ist. Der hierdurch zwischen den Parteien wirksam zustande gekommene Unterlassungsvertrag (OLG Köln, Urteil vom 28.01.2011 – 6 U 41/10 -) besteht nach wie vor.

I.

1. Die Klägerin hat die Unterlassungserklärung nicht wirksam angefochten. Hierfür fehlt es an einem neben der Anfechtungserklärung erforderlichen Anfechtungsgrund im Sinne der §§ 119, 123 BGB.

a) Die Klägerin befand sich weder über den Inhalt der von ihr abgegebenen Erklärung noch über ihren Erklärungswert im Irrtum. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, bei Unterzeichnung der Erklärung über die Wettbewerbswidrigkeit der beanstandeten Werbeanzeigen geirrt zu haben, liegt hierin allenfalls ein Irrtum im Beweggrund über die Abgabe der Unterlassungserklärung. Hierbei handelt es sich um einen rechtlich unbeachtlichen Motivirrtum (Palandt/Sprau, 73. Aufl., § 779 Rn. 26).

b) Eine arglistige Täuschung der Beklagten über die Wettbewerbswidrigkeit der von ihm beanstandeten Wettbewerbshandlung der Klägerin im Sinne des § 123 BGB liegt nicht vor.

In der Äußerung einer Rechtsansicht kann zwar die Vorspiegelung einer Tatsache liegen, wenn dadurch die materielle Rechtslage unrichtig dargestellt wird (Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 123 Rn. 3). Arglistige Täuschung erfordert Vorsatz. Der Handelnde muss also die Unrichtigkeit seiner Angaben kennen oder für möglich halten. Dieser Täuschungsvorsatz ist nicht festzustellen.

Der Beklagte ist nach wie vor der Ansicht, dass das damals von ihm beanstandete Verhalten nach wie vor wettbewerbswidrig ist. Es liegt auch in der Natur der Abmahnung, dass der Abmahnende versucht, einen für ihn günstigen Rechtsstandpunkt argumentativ darzustellen. Darin liegt keine arglistige Täuschung (OLG Schleswig, WRP 2002, 123-127).

Die Klägerin hat den Rechtsstandpunkt der Beklagten auch nicht übernommen. Sie hat nicht die vom Beklagten vorbereitete Unterlassungserklärung (uneingeschränkt) unterzeichnet, sondern hat eine abgeänderte, modifizierte Unterlassungserklärung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber dennoch rechtsverbindlich abgegeben. Das zeigt, dass die Klägerin zumindest eine überschlägige Prüfung vorgenommen hat. Das ergibt sich auch aus den Formulierungen aus der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung.

2. Die Unterlassungserklärung der Klägerin ist auch nicht aufgrund einer Kündigung aus wichtigem Grund unwirksam.

Ein vertraglicher Unterlassungsanspruch begründet ein Dauerschuldverhältnis und kann daher – wie jedes Dauerschuldverhältnis – auch ohne entsprechende Vereinbarung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gekündigt werden (BGH GRUR 1997, 382 – Altunterwerfung I; BGH GRUR 1998, 953, 954 – Altunterwerfung III; BGB GRUR 2001, 85, 86 – Altunterwerfung IV; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG-Kommentar, 6. Aufl., § 8 Rn. 61; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, 32. Aufl., § 12 Rn. 1.165; Gottschalk, GRUR 2004, 827 ff; Rieble, GRUR 1995, 252 ff). Voraussetzung für eine solche außerordentliche Kündigung ist, dass dem Schuldner die (weitere) Erfüllung des Vertrages unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht (mehr) zugemutet werden kann.

Der Kündigende kann sich dabei im Unterschied zu einer Vertragsauflösung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur auf Gründe stützen, die im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen. Denn anders als eine Lösung vom Vertrag nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage handelt es sich bei dem Kündigungsrecht aus wichtigem Grund um einen jedem Vertrag innewohnenden Auflösungsgrund, der dem Umstand Rechnung trägt, dass sich bei einem auf Dauer angelegten Vertragsverhältnis im Laufe der Zeit unvorhergesehene Umstände einstellen können, die die Parteien – wären sie ihnen bekannt gewesen – bei Vertragsschluss berücksichtigt hätten (BGH NJW 1997, 1702, 1704). Die Vereinbarung eines einseitigen Kündigungsrechts wird regelmäßig nur bei einer aus der Risikosphäre der anderen Partei stammenden Änderung des Vertragsverhältnisses in Frage kommen.

Eine aus der Risikosphäre des Beklagten stammende nachträgliche Änderung der Vertragsgrundlage ist vorliegend nicht gegeben. Die Gesetzes-/Rechtslage hat sich seit Abgabe der Unterlassungserklärung der Klägerin nicht geändert. Es gibt hierzu im Vergleich zum Zeitpunkt der Abgabe der Unterlassungserklärung auch heute keine geänderte Rechtsprechung oder Literaturansicht. In der Rechtsprechung und Literatur wird das vom Beklagten beanstandete Wettbewerbsverhalten der Klägerin – soweit ersichtlich – nicht explizit behandelt. Eine nachträgliche Änderung der Vertragsgrundlage ist damit nicht gegeben, eine solche, dem Beklagten zurechenbare Veränderung der der Unterlassungserklärung zugrunde liegenden Umstände hat die Klägerin jedenfalls nicht aufgezeigt.

Die Klägerin hat sich auf die Abgabe der Unterlassungserklärung eingelassen, ohne dazu gezwungen zu sein. Es hätte ihr freigestanden, dem Ansinnen des Beklagten auf Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung – auch einer modifizierten – nicht zu folgen und die wettbewerbsrechtliche Frage ggf. durch einen Rechtsstreit klären zu lassen.

Die Klägerin war auch nicht arglos. Sie hat gerade nicht die vorbereitete Unterlassungserklärung des Beklagten unterzeichnet, sondern eine modifizierte Unterlassungserklärung.

3. Die Unterlassungserklärung der Klägerin ist auch nicht wegen Fehlens oder Fortfalls der Geschäftsgrundlage unwirksam.

Geschäftsgrundlage der Unterlassungserklärung ist die gemeinsame – und nicht zum Vertragsbestandteil erhobene – Vorstellung der Parteien, dass die Wettbewerbswidrigkeit des beanstandeten Verhaltens zumindest möglich und dass ihre Vorstellung von der Wettbewerbswidrigkeit nicht offensichtlich falsch ist.

Sinn und Zweck von Unterlassungserklärungen ist es gerade, im Verhältnis der Parteien Rechtssicherheit zu schaffen und eine Wiederholungsgefahr zu beseitigen, ohne dass in jedem Fall des Verstoßes nicht nur – ggf. mit Hilfe des Gerichts – geprüft werden müsste, ob eine Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung vorliegt, sondern auch, ob diese überhaupt wirksam ist.

Der Unterlassungsvertrag schafft eine abstrakte Unterlassungsverpflichtung, die in ihrem Bestand nicht davon abhängig ist, dass das fragliche Verhalten auch mit Hilfe eines gesetzlichen Unterlassungsanspruchs unterbunden werden könnte. Gerade in Fällen, in denen die Rechtslage unklar ist, dient der Unterlassungsvertrag einer kostengünstigen Streitbeilegung. Dem Wesen eines solches Vertrages widerspräche es, wenn der Schuldner seine vertragliche Unterlassungspflicht mit dem Argument ausräumen könnte, das nach dem Vertrag untersagte Verhalten sei in Wirklichkeit nicht wettbewerbswidrig (BGH GRUR 1997, 386).

Das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann nicht dazu benutzt werden, von einer Unterwerfung wieder loszukommen, die man inzwischen aufgrund besserer Rechtskenntnisse bereut eingegangen zu sein (OLG Hamm, Urteil vom 23.05.1995 – 4 U 25/95, zitiert nach juris; OLG Schleswig, a.a.O.; Rieble, a.a.O.). Dass das beanstandete Werbeverhalten der Klägerin bei Unterzeichnung der Unterlassungserklärung nicht eindeutig wettbewerbsgemäß war, folgt bereits daraus, dass es zu diesem beanstandeten Wettbewerbsverhalten damals und heute keine gerichtlichen Entscheidungen gibt, also auch keine, die das Wettbewerbsverhalten der Klägerin für wettbewerbskonform halten.

Die Klägerin hat die Unterlassungserklärung auch abgegeben ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber dennoch rechtsverbindlich. Sie hat damit zum Ausdruck gebracht, dass aus ihrer Sicht ihr Wettbewerbsverhalten nicht wettbewerbswidrig ist, sie es aber auf einen Streit nicht ankommen lassen will. Auch daraus folgt, dass von einem Fehlen der Geschäftsgrundlage nicht ausgegangen werden kann. Wenn die Klägerin selbst die Wettbewerbswidrigkeit verneint bzw. daran Zweifel hat, erhebt sie die gemeinsame Vorstellung der Wettbewerbswidrigkeit gerade nicht zur Geschäftsgrundlage.

Auch ein Fortfall der Geschäftsgrundlage liegt nicht vor. Denn es haben sich seitdem weder die Gesetzeslage noch die Rechtslage bzw. die in der Literatur vertretenen Auffassungen geändert.

4. Die Klägerin kann auch nicht die Rückgängigmachung des für sie nachteiligen Vertrages gemäß den §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss verlangen.

Ein solcher Anspruch kann zwar unter Umständen in Betracht kommen, wenn sich der Schuldner aufgrund einer fahrlässig falschen Darstellung des Gläubigers zur Unterlassung verpflichtet hat (Bornkamm, in Köhler, a.a.O., § 12 Rn. 1.165; OLG Stuttgart, WM 1993, 2185; OLG Karlsruhe, Urteil vom 11.03.1998, 6 U 141/97; OLG Bremen, Urteil vom 19.08.1993, 2 U 54/93; Gottschalk, GRUR 2004, 827; Selke, WRP 1999, 286, 288; BGH GRUR 2010, 946, 947; Chudziak, GRUR 2012, 133). Er setzt jedoch voraus, dass ein Beteiligter nach Einleitung von Vertragsverhandlungen oder nach Begründung eines ähnlichen konkreten Verhältnisses Sorgfaltspflichten gegenüber einem anderen Beteiligten schuldhaft verletzt hat, die sich aus dem durch die Einleitung von Vertragsverhandlungen oder dergleichen begründeten besonderen Vertrauensverhältnisses ergeben. Insoweit ist allein eine objektiv unbegründete Abmahnung für sich noch nicht ausreichend. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzukommen, insbesondere wenn dem Schuldner, zu dessen allgemeinem Lebensrisiko die Konfrontation mit unberechtigten Ansprüchen gehört, alles an die Hand gegeben wird, was er benötigt, um sich durch eigene Erkundigungen – und diese obliegen ihm selbst – über die Rechtslage zu vergewissern, statt blindlings den Aussagen des Gläubigers zu folgen (BGH NJW 1995, 715; OLG Hamm, MMR 2012, 538; OLG Köln, GRUR 2001, 525; Rieble, a.a.O.).

Zum Gegenstand einer Abmahnung gehört gerade, dass der Abmahnende das aus seiner Sicht wettbewerbswidrige Verhalten darstellt und als wettbewerbswidrig behauptet. Wer abgemahnt wird, muss sich selbst über die UWG-Rechtslage vergewissern. Wer – zudem als Kaufmann – vorschnell eine strafbewehrte Unterlassungserklärung eingeht, kann daher nicht ohne weiteres den Abmahnenden für seine eigene Entscheidung verantwortlich machen. Dass der Beklagte auf die Entscheidung der Klägerin pflichtwidrig Einfluss genommen hat, ist nicht festzustellen. Der Beklagte hat abgemahnt. In der Abmahnung hat er das beanstandete Wettbewerbsverhalten der Klägerin dargestellt und auf § 4 Nr. 10 UWG hingewiesen.

Dieser Hinweis ist zwar nach Auffassung der Kammer unzutreffend. Denn gegen § 4 Nr. 10 UWG verstößt das beanstandete Verhalten der Klägerin nicht. Eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern liegt in dem vom Beklagten beanstandeten Verhalten nicht. Denn es ist nicht festzustellen, dass es der Klägerin nicht um ihren eigenen Wettbewerbsvorteil, sondern nur um die Benachteiligung von Mitbewerbern geht. Wird nur beabsichtigt, Kunden zu sich hinzulenken und wird der Mitbewerber selber nur reflexartig durch einen schnellen Zugriff des Mitbewerbers behindert, weil er nicht mehr, später oder anders zum Zuge kommt, so ist das bloße Folge des Leistungswettbewerbs und reicht für eine gezielte Behinderung nicht aus (OLG Hamm, Urteil vom 05.10.2004, 4 U 96/04; Beck RS 2005, 13338).

Die Klägerin hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass es ihr freistehe, wie sie ihre Preise bilde und wieviele Internetshops sie betreibe. Das ist aber nicht der Kern der Beanstandung des Beklagten. Der Beklagte beanstandet, dass Mitbewerber, die nur einen Shop betreiben, dadurch beim Preisvergleichsportal weiter nach hinten „rutschen“, wenn Mitbewerber wie die Klägerin durch mehrere Internetshops Preise dem Vergleichsportal mitteilen, die sich preislich kaum unterscheiden. Die Klägerin kann dadurch z.B. erreichen, dass ein Mitbewerber, dessen Preis sich nur geringfügig von den Preisen ihrer mehrerer Internetshops unterscheidet, erst an 6. Stelle erscheint, obwohl er den 2. Platz einnehmen würde, wenn die Klägerin für alle ihre Shops nur einen Preis mitgeteilt hätte.

Doch auch bei dieser Betrachtung handelt die Klägerin primär im eigenen Interesse, der Förderung ihres Wettbewerbs, und nicht gezielt zum Nachteil der Mitbewerber. Ein Verstoß gegen § 4 Nr. 10 UWG dürfte daher im Ergebnis zu verneinen sein. Auch ein Verstoß gegen § 5 UWG erscheint fraglich.

Die Frage der Wettbewerbswidrigkeit oder Wettbewerbsgemäßheit des beanstandeten Verhaltens kann jedoch dahingestellt bleiben. Denn der Beklagte hat nicht pflichtwidrig gehandelt. Er hat seine Sicht dargestellt. Auf Rechtsprechung und Literatur hat er nicht abgestellt. Er hat insoweit keine falschen Angaben gemacht. Es oblag ihm auch nicht, darauf hinzuweisen, dass in der Rechtsprechung und Literatur die Frage der Wettbewerbswidrigkeit, soweit ersichtlich, nicht diskutiert wird. Die Abmahnung ist auch nicht so verfasst, dass der Eindruck entstehen müsste, die Frage – Wettbewerbswidrigkeit ja oder nein? – sei bereits gerichtlich (höchstrichterlich) geklärt.

Vielmehr war bei objektiver Auslegung erkennbar, dass es sich um eine Rechtsansicht des Beklagten handelt.

Der Entscheidung des OLG Stuttgart, Urteil vom 16. April 1993 – 2 U 243/92 = WM 1993, 2185, lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. In dem vom OLG Stuttgart entschiedenen Sachverhalt hatte der Abmahnende ausgeführt, dass „die von Ihnen verwendete Bezeichnung nach ständiger Rechtsprechung“ nicht zulässig ist. Hieraus hat das OLG Stuttgart geschlussfolgert, dass der Abmahnende hierdurch dem Abgemahnten den Eindruck vermittelt habe, es sei bereits höchstrichterlich entschieden, dass die beanstandete Werbung wettbewerbswidrig sei. Die Entscheidung wird von Rieble in Staudinger 2009, § 339 Rn. 265, als zu weitgehend abgelehnt.

Welcher Auffassung zu folgen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn zum einen hat der Beklagte die Rechtsprechungslage nicht unrichtig dargestellt, zum anderen hat die Klägerin die vom Beklagten vorbereitete Unterlassungserklärung modifiziert und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, dennoch rechtsverbindlich abgegeben. Zudem wurde die Unterlassungserklärung noch unter den auflösenden Vorbehalt einer Änderung der Rechtslage oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung gestellt. Das zeigt, dass die Klägerin entgegen ihrer nunmehrigen Behauptung eine eigene Prüfung vorgenommen und nicht nur im Glauben an die Richtigkeit der Darstellung des Beklagten die Unterlassungserklärung abgegeben hat.

Damit scheidet ein Anspruch der Klägerin auf Rückgängigmachung des Unterlassungsvertrages gemäß §§ 311 Abs.. 2, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB aus.

II.

Der Beklagte hat die Klägerin auch nicht über seine Prozessführungsbefugnis/Antragsbefugnis getäuscht oder in die Irre geführt. Der Kammer ist aus mehreren Prozessen bekannt, dass dem Verband mehrere Mitglieder aus dem Apothekenbereich/Gesundheitsbereich angehören. Im Übrigen handelt es sich hierbei um eine Tatsache, die von der Klägerin als anspruchsbegründende Voraussetzung darzulegen und zu beweisen ist. Der Beklagte hat in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 01. Oktober 2014 hierzu weiter ausgeführt.

Auch ohne Berücksichtigung dieser Ausführungen in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz ist nicht festzustellen, dass insoweit eine unrichtige Angabe des Beklagten erfolgt ist. Zudem ist zweifelhaft, ob die Antragsbefugnis des Beklagten zur Geschäftsgrundlage erhoben worden ist.

III.

Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Aufhebung des Unterlassungsvertrag aus Kartellrecht zu. Die Unterlassung von wettbewerbskonformem Verhalten kann zwar eine Wettbewerbsbeeinträchtigung darstellen. Diese muss jedoch spürbar sein. Daran fehlt es (Rieble, a.a.O.).

IV.

Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Rückzahlung der bezahlten Abmahnpauschale zu, da ein pflichtwidriges Verhalten des Beklagten – wie oben ausgeführt – nicht vorliegt.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Den Streitwert hat die Kammer entsprechend dem Interesse der Klägerin an der Feststellung der Unwirksamkeit der Unterlassungserklärung – des Unterlassungsvertrages auf 25.000,00 EUR festgesetzt. Die Streitwertbemessung wurde mit den Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung erörtert. Einwendungen hiergegen hat der Beklagte nicht erhoben.

Hinzu kommt die Rückforderung der bezahlten Abmahnpauschale. Der Streitwert war daher auf 25.166,60 EUR festzusetzen.

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